Ein Mann auf (s)einer Mission
Robert Marc Lehmann ist der Prototyp eines Social Media-affinen Naturschutzaktivisten. Es fällt schwer, sein Spektrum mit wenigen Worten zusammenfassen zu wollen, da es sich um den gesamten Globus spannt, sämtliche Lebensbereiche zu Land, Wasser oder in der Luft beinhaltet, wirtschaftliche und konsumpolitische Zusammenhänge beleuchtet, und mit Tätigkeiten von Fotografie, Dokumentation und Forschung über operative Einsätze gegen illegalen Fischfang und Wildtierhandel bis hin zu Vorträgen an Schulen und eine umfangreiche Social Media Präsenz ausgestaltet wird.
In seinem Buch Mission Erde – Die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen berichtet Lehmann von einigen seiner spektakulärsten, gefährlichsten, bewegendsten Abenteuern und gibt Einblicke in seinen ungewöhnlichen Werdegang. Kritiker werfen ihm zuweilen vor, dass seine Wirken (zumindest teilweise) darauf ausgerichtet ist, sein starkes Ego noch weiter zu unterfüttern. Sein Buch macht dabei zwei Dinge klar: Zum einen, dass der Autor wirklich ein starkes Ego hat, und zum anderen, dass ein Wirken wie das von Robert Marc Lehmann ohne ein überdurchschnittlich gestähltes Ego überhaupt nicht möglich wäre – weder im Erleben noch im breitenwirksamen Berichten.
Eine schmerzende Wahrheit
Das Buch folgt keiner chronologischen oder erkennbaren thematischen Logik, sondern vor allem einer dramaturgischen. Zum Einstieg gibt es Missionsberichte zu (Hardcore-)Einsätzen gegen Wilderer im asiatischen Raum, die dem Leser ganz im Sinne einer schwer zu verkraftenden, teilweise mit westlichen ethischen Werten kaum vorstellbaren Wahrheit vor eine erste Zerreißprobe stellt. Dann: Eine Atempause. Robert Marc Lehmann beschreibt den Werdegang seiner „Mission Erde“ von Kindheit über Schule und Studium bis zum Einstieg in Beruf und – später – Berufung. Dabei verschweigt er auch die düsteren Kapitel nicht, in denen er „für die andere Seite“ gearbeitet hat, sondern baut sie vielmehr als Argumentationsgrundlage für seine Grundsatzpositionen auf. Es ist ein fließender Übergang hin zu weiteren Berichten, in denen er das Leid der Tiere ebenso überzeugend und fesselnd darlegt wie das Leid des Dokumentarfilmers, der nicht nur Wohlstand, sondern vor allem auch jeglichen Komfort aufgibt, um zu retten, was noch zu retten ist.
Mittel zum Zweck
Klingt düster? Ja, und das muss ich Robert Marc Lehmann zugutehalten. Mission Erde ist kein Fach- oder Sachbuch, kein neutraler Klimabericht oder eine wissenschaftliche Betrachtung zum Artensterben. Es ist eine Verschriftlichung von Erlebnissen und Beobachtungen, mit dem einzigen Zweck, den Leser aufzurütteln um Missstände gemeinsam anpacken und das (scheinbar wenige) Gute, das der Welt noch bleibt, retten zu können. Denn zwischen all den Beschreibungen von brennenden Wäldern, massakrierten Nashörnern, zur Prostitution gezwungenen Menschenaffen und bei lebendigem Leib zerteilten Meeresbewohnern findet Robert Marc Lehmann doch auch immer den Blick für die Schönheit, die Erhabenheit, die Einzigartigkeit von Flora und Fauna – und wie alles miteinander verbunden ist und voneinander abhängt. Im Guten wie im Schlechten: Es gibt nicht eine Stelle im Buch, in der ich das Gefühl bekomme, Robert Marc Lehmann würde dem Leser einen Bären aufbinden oder mit irgendetwas übertreiben wollen.
Wir sind nicht alleine auf dieser Welt
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind en vogue. Gutes tun zu wollen ist ein immer stärker werdendes Bedürfnis vieler Menschen. Ansatzpunkte gibt es viele, im Großen wie im Kleinen (und auch hier gibt Robert Marc Lehmann nachvollziehbare Einblicke, warum „gut gemeint“ nicht immer „gut gemacht“ ist). Dieses Buch zu lesen ist ein Anfang, zumal es mit weiteren Vorschlägen endet. Dass jedes Exemplar von Mission Erde auch direkt einen Quadratmeter peruanischen Regenwaldes dauerhaft unter Schutz stellt, ist ein wunderbarer Nebeneffekt (viele Grüße an die Kollegen von Wilderness International!).
Am Ende muss man Robert Marc Lehmann und seine Ausdrucksform nicht mögen. Wer das Buch wegen Hashtags im Fließtext oder bösen Seitenhieben auf Ex-Partnerinnen aus der Hand legt, hat nicht verstanden, worum es geht: Nicht um Ego oder Komfortzonen, sondern um unser aller Lebensraum. Und “wir alle”, das sind eben nicht nur wir Menschen.
Bibliografische Angaben
Titel: Mission Erde – Die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen
Autor: Robert Marc Lehmann
Genre: Erlebnisbericht
Verlag: Ludwig
ISBN: 978-3-453-28141-7
Erscheinungsdatum: 2021
Format (Umfang): Hardcover (367 Seiten)