Das Ende ist der Anfang

Im ersten Teil von Claudia Aichholzers Fabelflug Chroniken Das Geheimnis des Entrümplers lernen wir die Gnom-Tüfftlerin Poppie kennen, die eine kleine Unachtsamkeit bei der Arbeit in eine schwierige Lage bringt.

Bei dem Versuch, sich die Skizze einer ihrer vielen tollen Erfindungen zurückzuholen, gerät sie mit ihrem fiesen Chef Herr Gorl aneinander – und seinem dunklen Geheimnis auf die Spur. Und so endet das Abenteuer, das in der Ratterschlucht nahe der Ratterstadt beginnt, mit wichtigen Erkenntnissen, einer unverhofften Reise und einer neuen Bekanntschaft.

Ein toller erster Eindruck

Das Geheimnis des Entrümplers ist eine kindgerechte Mischung aus Pen&Paper und Steampunk, wobei ehrlicherweise die Pen&Paper-Aspekte in der Handlung nur wenig Gewicht haben. Mit einem Charakterbogen zu der Heldin und einer Beschreibung des Settings zu Beginn des Buches sowie einem Rätselbogen am Ende desselben macht es jedoch nicht nur neugierig auf das großartige Spiel, sondern macht direkt Lust darauf, loszurätseln und vielleicht in einem eigenen Abenteuer in die Haut von Poppie zu schlüpfen. Dass Claudia Aichholzer ein Herz für Kinder und Pen&Paper hat, ist unverkennbar – die Idee ist großartig und sehr schön umgesetzt.

Apropos sehr schön umgesetzt: Das Buch wird durch tolle bunte Illustrationen, die die ohnehin schon detailreichen Beschreibungen ergänzen, zum Leben erweckt. Überhaupt macht das Buch einen sehr wertigen Eindruck: Einband und Seiten sind aus stabilem, griffigem Material, das obendrein bedingungslos nachhaltig hergestellt wurde. Die Prägung auf dem Titel ist ein schönes Detail, und klappt man das Buch auf, erwartet einen eine stimmungsvoll gestaltete Karte. Die Farben sind durchweg kräftig und sehr natürlich gehalten, die Schriftart und -größe angemessen. Es macht einfach Freude, das Buch in die Hand zu nehmen, man spürt auf allen Ebenen die Liebe zum Buch – und das alles ergibt sich schon aus den ersten Eindrücken.

Eine charmante Komposition von Wortwitz und Abenteuer

Hat man sich auf den ersten Seiten einen Überblick über die Protagonistin und ihre Heimat verschafft, erwartet einen ein beinahe cineastischer Einstieg in die Geschichte. Wir folgen dem Weg einer mechanischen Komponente, die eine Verkettung von allerlei Umständen aus einer zwergischen Maschine heraus in die Hände der rothaarigen Gnomin Poppie verschlägt. Welche Rolle das Drehachsendinglein noch spielen wird, ist an der Stelle noch nicht absehbar – es landet stattdessen erstmal im Sammelsurium der Tüftlerin, die ihr Lieblingswerkzeug immer bei sich trägt: Gut verstaut in ihren Haaren.

Daraus lässt sich bereits erkennen, mit wie viel Einfallsreichtum Das Geheimnis des Entrümplers aufwartet – inhaltlich wie sprachlich. Claudia Aichholzer nimmt Altbekanntes und mischt es liebevoll durcheinander; das beste Beispiel sind die Bezeichnungen für die Komponenten und Konstruktionen der Gnome. Poppie und ihre Freunde und Familie sind umgeben von Dingen wie einem Rumpelhops und einem Schraubfiddler, einem Glutmanscher und einem Entschlossinator – man kann sich direkt etwas darunter vorstellen, aber vielleicht nichts genaues, und so bekommen ganz alltägliche Dinge eine verspielt-mysteriöse, witzige Konnotation. Ein cleverer Trick, der das Buch zu etwas Besonderem macht.

Die Handlung selbst ist linear und überschaubar, das Erzähltempo moderat. Das Abenteuer endet dabei an seiner spannendsten Stelle, womit man den Eindruck bekommt, dass es tatsächlich vor allem der Auftakt zu etwas Größerem ist. Dass das Ende offen ist, muss man zu nehmen wissen – aber zum Glück gibt es mit dem Rätsel noch die Möglichkeit, aufkommende Ungeduldigkeit zu überbrücken.

Insgesamt sind die großen Themen des Buches der Reiz des Anderssein, eine Ermutigung zum unkonventionellen Denken und Handeln, die eigenen Stärken zu nutzen und sie in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, um, sofern man es denn möchte, neue weltliche und persönliche Horizonte zu entdecken.

Eine kleine Auffälligkeit, die nicht ins Gewicht fällt

Will man das Haar in der Suppe suchen, findet man es möglicherweise in ein paar wenigen  sprunghaften Gedankenwechseln respektive kleinen Detaileinschüben, die es vielleicht gar nicht braucht und die für kurze Disruptionen im Lesefluss sorgen. Das ist aber eine ausgesprochen kleine stilistische Sache, für die man aber schon sehr genau hinschauen muss und die vermutlich komplett untergeht, wenn man sich bedingungslos in das Abenteuer hineinziehen lässt. 

Hineinziehen ist dabei sogar das Schlagwort: Das Buch stellt am Ende die Titelfigur und das Setting des nächsten Bandes vor und lässt einem eigentlich gar keine andere Wahl, als sofort zur nächsten Buchhandlung zu eilen und eine entsprechende Bestellung aufzugeben. Das ist vor allem deswegen erwähnenswert, da wir dieses Buch als Rezensionsexemplar erhielten und die Arbeit der Autorin und des Verlages gerne unterstützen möchten, indem wir den Rest der Reihe selbst kaufen.

Bibliografische Angaben

Titel: Fabelflug Chroniken I – Das Geheimnis des Entrümplers
Autor: Claudia Aichholzer
Genre: Kinderbuch
Verlag: Fairyland
ISBN: 978-3-9504699-4-3
Erscheinungsdatum: 2020
Format (Umfang): Hardcover (109 Seiten)