Eine geschichtsträchtige Schlacht unter der (Zeit-)Lupe

Sharpes Sieg ist der zweite Teil von Bernard Cornwells Serie über den Soldaten Richard Sharpe, der um 1800 im von den Briten besetzten Indien seinen Sold verdient und so Zeuge einiger historisch tatsächlich belegter Gegebenheiten wird – beziehungsweise sie hautnah erlebt.

Zwar beginnt Sharpes Sieg dabei mit einem fiktiven Massaker, folgt ansonsten aber den britischen und indischen Truppen von der Belagerung von Ahmadnagar bis zum Schlachtfeld von Assaye, wobei sich Richard Sharpe an der Seite eines ehrwürdigen Colonels auf die Jagd nach einem Verräter macht und gleichzeitig selbst von einem alten Widersacher verfolgt wird. Auf dem Höhepunkt der Schlacht kommt es zum Showdown.

Ein Buch, das mit Sprache glänzt, aber seinen Helden vergisst

Im Vergleich zum ersten Teil der Serie, Sharpes Feuerprobe, fühlt sich Sharpes Sieg tatsächlich wie ein Lückenfüller an. Bemerkenswert ist wieder die historische Genauigkeit der Rahmenhandlung, die auch Charaktere wie General Wellesley und die Abfolge von Ereignissen einschließt. Beeindruckend ist auch die Sprache der Akteure, die mehr zu ihrer Charakterisierung und Abgrenzung beiträgt, als jegliche beobachtende Beschreibung es könnte. Und von ergreifender Klarheit ist letztlich auch die Grausamkeit des Krieges – vor, während und nach der Schlacht; eine schonungslose, gleichzeitig zu keinem Zeitpunkt wertende Schilderung dessen, zu was Menschen fähig sind, frei von jeder Glorifizierung.

Doch wie auch der erste Teil braucht die Handlung einige Zeit, bis sie Fahrt aufnimmt. Zwar sind mit dem eingangs beschriebenen Massaker und der bald darauf folgenden Eroberung von Ahmadnagar aufregende Szenerien gegeben, doch verkommt der Protagonist immer mehr zu einem Mitläufer, der bis zum vorletzten Kapitel auf einen echten Glanzmoment warten muss. Bis dahin bestimmen Demotivation, emotionale Unreife und handlungsseitige Orientierungslosigkeit sein Tun. Richard Sharpe läuft die meiste Zeit schlichtweg mit – oder hinterher. Selbiges gilt auch für den Handlungsstrang um seinen Erzfeind Hakeswill, dessen dramaturgisches Potential sich zu keinem Zeitpunkt wirklich entfaltet. Dazu passt dann leider auch, dass man dem titelgebenden Ereignis nicht recht Glauben schenken mag – möglicherweise, weil Sharpes Feuerprobe bereits auf ähnliche Weise endete. 

Fortsetzung folgt?

Natürlich muss man sich vergegenwärtigen, dass Richard Sharpe keinen strahlenden Helden darstellen soll. Das ist auch ein sehr erfrischender Ansatz. In Sharpes Sieg macht er im Vergleich zu seiner Darstellung und Leistung im ersten Band jedoch einen gewaltigen Schritt nach hinten – und das trifft leider auch uneingeschränkt auf seinen Anteil und das, was man als sein Abenteuer und seine Leistung in Sharpes Sieg bezeichnen könnte, zu. Die Schlacht von Assaye und die Ereignisse, die ihr vorausgingen, sind für Richard Sharpe nur eine Zwischenstation, bei der er mehr Glück als Anteil hat, und dieser Eindruck legt sich auf das gesamte, inhaltlich leider recht flache und gegen Ende sehr vorhersehbare Buch.

Sharpes Feuerprobe war ein Buch, das ich anfangs nur schwer in die Hand nehmen konnte, spätestens ab dem zweiten Drittel jedoch nicht mehr aus der Hand legen wollte und ich sogleich Lust auf die Fortsetzung hatte. Sharpes Sieg wurde hingegen erst im letzten Viertel wirklich spannend, und das auch nur kurz. Für den Moment, fürchte ich, sogar zu kurz, denn der Impuls, nun doch auch den dritten Teil lesen zu wollen, verflüchtigte sich doch recht schnell. Und das bedauere ich sehr, denn das zerrissene Indien des frühen 19. Jahrhunderts ist eine exotische Kulisse und das auf seinem Höhepunkt befindliche, an zu vielen Fronten kämpfende England ein spannendes Thema.

Bibliografische Angaben

Titel: Sharpes Sieg
Autor: Bernard Cornwell
Genre: Roman
Verlag: Lübbe Belletristik
ISBN: 978-3-404-18396-8
Erscheinungsjahr: 2021
Format (Umfang): Taschenbuch (464 Seiten)