Drei Märchen aus einer anderen Welt
In Madeleine Shadia Khrewishs Japanische Volksmärchen werden drei Geschichten aus dem fernöstlichen Kulturkreis vorgestellt: die Gunst des Kranichs, Urashima Taro und Prinzessin Kaguya. Madeleine Shadia Khrwish erzählt die Märchen dabei frei nach, verbindet diese jedoch mit einer sinngemäßen Übersetzung auf Japanisch in japanischen Schriftzeichen und vor allem großflächigen, stimmungsvollen Bildern.
Dabei handelt es sich auch um ein ausgesprochenes Markenzeichen des Buches, denn die Erzählungen selbst kommen mit wenigen Worten aus. Dafür sind die A4-Format füllenden Zeichnungen und Malereien in so intensiven, lebendigen Farben und aussagekräftigen Motiven gehalten, dass jedes weitere Wort Gefahr laufen muss, schlichtweg zu viel und überflüssig zu sein.
Tiefgreifend und horizonterweiternd
Das Besondere an diesen Märchen ist, dass sich ihre Kernthemen nicht nur von denen aus unseren Breitengraden grundlegend unterscheiden, sondern diese sich auch nur schwer sofort greifen lassen und einen Sinn in sich bergen, der auf behutsame und sanfte Weise in die emotionale und psychische Tiefe geht. Zielt die Gunst des Kranichs noch auf in Märchen eher gängige Werte wie Dankbarkeit und Vertrauen ab, wird es bei Urashima Taro mit Entscheidungen und Vergänglichkeit von Zeit und Leben schon komplexer.
Prinzessin Kaguya greift hingegen Liebe in so vielen verschiedenen Facetten gleichzeitig auf, dass auch ein gründliches Sinnieren über die Aussage(n) des Märchens wohl nur schwer zu einem klaren Ergebnis führt. Die drei ausgewählten Japanischen Volksmärchen setzen scheinbar einfache Handlungen in den Kontext komplexer Emotionen. Und das ist etwas, was für Erwachsene und Kinder gleichermaßen anregend und unheimlich wertvoll sein kann – neben der Horizonterweiterung durch das Aufbrechen bekannter Erzählmuster und der Auswahl geheimnisvoller Schauplätze.
Ein kleines Meisterwerk, eine große Bereicherung
Unbenommen bleibt dabei, dass überhaupt eine allgemeingültige Interpretation der Inhalte nichts anderes sein kann als bloße Anmaßung – etwas, das unmittelbar auf den mystischen, geheimnisvollen Charakter des Buches einzahlt. Settings wie fernöstliche Städte, Bambuswälder und ein Drachentempel, der unter Wasser liegt, entführen beim (Vor-)Lesen in eine Welt, die sich im vom Dämmerungslicht beschienenen Spannungsfeld von Realität und Träumen bewegen.
Die gesamte Aufmachung mit der goldenen Prägung, das großflächige Format im Hardcover, die hervorragende Qualität des Papiers, auf dem die Bilder zum Leben erwachen, diese absolut neuen, in all ihren sprachlichen und inhaltlichen Eigenschaften zum Nachdenken anregenden Geschichten – das alles macht Japanische Volksmärchen zu einem echten Schatz, einer großen Bereicherung für unser Bücherregal. Und auch wenn die Kleinsten vielleicht noch nicht verstehen, wie tief diese Geschichte greifen, so werden sie von der Magie der Bilder und der fremdartigen, geheimnisvollen Welt in den Bann gezogen und immer wieder zu dem Buch greifen, bis sie vielleicht alt genug sind, um zu erkennen, wie viel sie aus diesem Buch mitnehmen können – und es seit dem ersten Mal auch schon tun. Madeleine Shadia Khrewishs Werk ist nicht weniger als eine fantastische Bereicherung für unsere Bibliothek.
Bibliografische Angaben
Titel: Japanische Volksmärchen
Autor: Madeleine Shadia Khrewish
Genre: Kinderbuch
Verlag: CatMint Verlag
ISBN: 978-3-903282-08-7
Erscheinungsdatum: 2022
Format (Umfang): Hardcover (68 Seiten)