Nachdem ich den Film Cloud Atlas bestimmt schon mehr als zehn Mal gesehen und sehr weit oben auf meiner Lieblingsfilmliste platziert habe, kam ich endlich auch dazu, das entsprechende Buch Der Wolkenatlas zu lesen. Bücher nach dem Anschauen eines Films zu lesen, ist so eine Sache und leider hat es sich auch in diesem Fall bewahrheitet, dass die andere Reihenfolge die bessere gewesen wäre.
Vornweg: Das Buch hat es tatsächlich geschafft, dass ich den Film ein Stück weniger mag und der Roman an sich die bessere Wertung im Vergleich von mir erhält. Mehr dazu weiter unten im Vergleich von Buch und Film.
Vom Schiffstagebuch zum Duplikanten
Mitchells Der Wolkenatlas ist in sechs Geschichten gegliedert: “Das Pacifiktagebuch des Adam Ewing”, “Briefe aus Zedelghem”, “Halbwertszeiten – Luisa Reys erster Fall”, “Das graussige Martyrium des Timothy Cavendish”, “Sonmis Oratio” und “Sloosha`s Crossin’ un wies weiterging”. In der zweiten Geschichte “Briefe aus Zedelghem” beschreibt der Komponist Frobisher sein Wolkensextett, in dem die Solisten jeweils voneinander unterbrochen und in umgekehrter Reihenfolge fortgesetzt werden. Auf die gleiche Weise sind die sechs Handlungsstränge im Roman Wolkenatlas aufgebaut. Die ersten fünf Geschichten werden chronologisch bis etwa zur Hälfte erzählt und dann unterbrochen. Es folgt der sechste Strang “Sloosha`s Crossin’ un wies weiterging”, welcher zeitlich am weitesten in der Zukunft liegt und in einem Stück erzählt wird. Anschließend folgen die zweiten Hälften der fünf ersten Geschichten in umgekehrter Reihenfolge.
Dabei sind die einzelnen Stränge trotz der epochalen Unterschiede miteinander verbunden und entfalten erst im Gesamten ihre vollständige Brillanz. Der Wolkenatlas lässt an vielen Stellen über Sinn und Unsinn des Lebens nachdenken und ist somit ein sehr empfehlenswertes Buch. Sobald man sich einmal an die wechselnden Geschichten gewöhnt hat, möchte man am liebsten in jede einzelne noch tiefer eintauchen und weiterlesen.
Stilistische Horizonte
Eine der größten Besonderheiten des Romans ist die Stilistik. Die sechs Handlungsstränge könnten in dieser Hinsicht nicht unterschiedlicher sein. Die Stilistik der Geschichten entspricht der Sprache der Zeit, in der die jeweilige Geschichte spielt. Entsprechend variieren auch die Erzählformen stark: vom Tagebucheintrag, einer Briefsammlung bis hin zum vorläufigen Drehbuch.
Roman vs. Verfilmung
Nachdem ich den Film Cloud Atlas gesehen und den Roman Der Wolkenatlas dazu gelesen habe, schneidet die Verfilmung für mich leider nicht mehr ganz so gut ab. Klar, ein Roman ist kein Drehbuch und wie es bei Filmen so oft üblich ist, müssen einige Szenen der Spannung oder Dramaturgie wegen weichen – oder es werden neue Passagen eingeschoben. Wer den Film Cloud Atlas gesehen hat, weiß, dass dieser beim ersten Anschauen sehr verwirrend sein kann und man so schnell nicht alles eingeordnet bekommt. Besonders schade finde ich es daher, dass entscheidende Szenen aus dem Buch im Film nicht vorkommen, welche für das Verständnis doch sehr hilfreich sind. Schade ist auch, dass im Film die Szenen und Handlungsstränge gefühlt wild umher springen. Auch wenn dies sicher einer eigenen Logik folgt, so geht damit die wohl gewählte Aneinanderreihung der sechs Geschichten im Stil des Wolkensextetts verloren und es wirkt alles sehr viel verwirrender, als es eigentlich sein müsste. Leider wartet man im Film auch vergebens auf die Person Eva aus der zweiten Geschichte “Briefe aus Zedelghem”, was dem Verständnis des Films auch nicht unbedingt zuträglich ist. Müsste ich mich entscheiden, würde ich also den Roman favorisieren. Ohne die Verfilmung wäre ich jedoch nicht auf diesen aufmerksam geworden. Am Ende ist beides absolut lesens- bzw. sehenswert.
Kurze Notiz zum Cover
Das Cover des deutschen Taschenbuchs ist optisch an die Variante des englischen Hardcovers angelehnt. Hier erschließt sich mir jedoch leider nicht, warum es sich um acht Abbildungen und nicht ebenfalls um sechs handelt. Optisch finde ich die englische Variante ansprechender.
Bibliografische Angaben
Titel: Der Wolkenatlas
Autor: David Mitchell
Genre: Roman
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3-499-24036-2
Erscheinungsdatum: 2007
Format (Umfang): Taschenbuch (672 Seiten)